Habt ihr euch schon mal gefragt, was die Händler-NPCs in Rollenspielen eigentlich so tun, wenn ihr gerade nicht zuschaut? Willkommen im Dungeon liefert die Antwort: sie wetten schamlos darauf, ob ihr es wohl gerade noch so schafft, auf dem Zahnfleisch durch die lokalen monstergefüllten Gewölbe zu kriechen, oder ob ihr beim Versuch das Zeitliche segnet…
Worum geht es?
Willkommen im Dungeon ist ein kleines „Push-your-Luck“-Spiel, dass das altbewährte Fantasy-Thema rund um mächtige Helden und üble Monster aus einer anderen Perspektive betrachtet. Hier sind wir keine muskelstrotzenden Recken, die reihenweise böse Schergen vermöbeln. Vielmehr wetten wir darauf, ob es ebendiese Helden es schaffen, sich erfolgreich durch einen Dungeon zu schnetzeln, oder ob sie beim Versuch ins Gras (oder die moosbewachsenen Bodenkacheln) beißen.
Den Dungeon befüllen wir Spieler*innen selbst: wenn wir am Zug sind, ziehen wir eine Monster-Karte vom Nachziehstapel, schauen diese an und legen sie in den Dungeon – und haben damit ein Stück Information über dessen Zusammensetzung gewonnen. Oder wir legen die Karte verdeckt vor uns ab und nehmen sie so aus dem Spiel – müssen dafür aber dem Helden einen seiner Ausrüstungsgegenstände abnehmen. Davon hat jeder Recke anfangs sechs, mit denen er so ziemlich allem, was das Monsterdeck zu bieten hat, trotzen kann. Mit jedem Beiseite gelegten Gegenstand sinken die Chancen des Heroen, lebend aus dem Gewölbe zurückzukehren.

Und genau hier liegt die Crux des Spiels, denn a) gibt es noch eine weitere Aktionsmöglichkeit – keine Karte ziehen und stattdessen passen; und b) muss der oder die letzte Spieler*in sich mit dem Helden in den Dungeon begeben. Dann werden die Monsterkarten aus dem Dungeon aufgedeckt. Jedes Monster, dass der Held dank seiner Ausrüstung besiegen kann, wird ohne Effekt abgelegt; Monster die nicht besiegt werden können, fügen dem Helden Schaden gemäß ihrer Stärke (Zahlenwert der Monsterkarte) zu.

Ist die Monsterjagd erfolgreich, winkt eine Erfolgskarte – hat man zwei davon gesammelt, gewinnt man das Spiel. Geht der Held jedoch Hopps, nimmt man auch der oder die begleitende Spieler*in Schaden – passiert das zum zweiten Mal, ist man aus dem Spiel. Ansonsten heißt es: Mund abwischen, weitermachen – und den nächsten Helden in den Dungeon schicken. Von denen gibt es für zusätzliche Abwechslung insgesamt vier: Barbar, Krieger, Magier und Schurke haben jeweils individuelle Ausrüstung, die wir ihnen gemeinerweise vor dem Gang in den Dungeon abluchsen werden. Der grundsätzliche Ablauf bleibt jedoch immer derselbe.
Taugt das was?
„Push-your-Luck“ bzw. Glücksmanagement-Spiele zählen zu meinen liebsten Absackern, da sie sehr emotionale Momente rund um den Spieltisch generieren können. Willkommen im Dungeon ist ein spaßiger und grundsolider Vertreter des Genres, muss sich aber hinter meinen Favoriten wie Tiefseeabenteuer oder Diamant anstellen.
Das witzige Fantasy-Thema ist wirklich sehr schön umgesetzt, erweist sich aber als zweischneidiges Schwert. Ich habe das Spiel sowohl mit Rollenspielern als auch mit „Normalos“ gespielt: Für die Rollenspieler ist das durch Paul Mafayons Illustrationen im World-of-Warcraft-Stil unterstrichene Thema ein großer Pluspunkt. Die unterschiedlich ausgerüsteten Helden ergeben für sie sofort Sinn, in diesen Runden ist Willkommen im Dungeon normalerweise ein großer Hit. Für die „Normalos“ machen die unterschiedlichen Helden das Spiel dagegen deutlich komplizierter als es sein müsste. Zwar zeigen die Übersichtskarten auf einen Blick, welche Gegenstände mit welchen Monstern interagieren, trotzdem werden hier Sonderregeln eingeführt, die beispielsweise ein Tiefseeabenteuer nicht braucht, um ein spannendes Spielerlebnis zu schaffen.

Das größte Problem ist jedoch, dass Spieler*innen eliminiert werden können, und sich das Spiel – wenn es blöd läuft – anschließend noch eine ganze Weile ziehen kann. In einer Vierspieler-Runde hatten wir ein mal das Worst-Case-Szenario, dass ein Spieler nach zwei Runden raus war, und anschließend noch sieben Runden zuschauen durfte. Sicherlich ein Extremfall, der aber das Spielerlebnis für den Betroffenen deutlich getrübt hat.
Trotzdem, mit der richtigen Gruppe spiele ich das Spiel gerne, wobei das Spiel für mich zu zweit oder zu dritt seinen „Sweet Spot“ hat. Also, möchte jemand wetten, ob der Conan-Verschnitt da drüben lebend aus dem Dungeon rauskommt? Und mal ehrlich, sieht der so aus, als wenn er dazu wirklich seine Axt bräuchte?
TL;DR
Sehr cool illustriertes Push-your-Luck-Spiel, an dem Fantasy-Freunde ihre Freude haben werden. Mit dem Thema sollte man aber schon etwas anfangen können, um mit „Willkommen im Dungeon“ glücklich zu werden.
Willkommen im Dungeon von Masato Uesugi, ein Spiel für 2-4 Spieler ab 10 Jahren; erschienen 2015 bei Iello/Heidelberger. Sprache: Deutsch. Spielzeit: 30 Minuten. Preis: ca. 15€*.
* Die deutsche Version des Spiels ist Out of Print und nur noch schwer zu finden, das Spiel kann aber problemlos in der englischen Version von Iello gefunden werden.