Der Mai macht nicht nur alles neu, sondern bringt auch die „Spiel des Jahres“-Nominierungen. Höchste Zeit, dass ich meine Hausaufgaben mache, aber ich schaue mir anscheinend lieber an, wie Figuren aus Film und Fernsehen sich die zu groß geratenen Köpfe einschlagen. Mein Monatsrückblick für Mai, mit Paleo und dem Funkoverse Strategy Game.
Die Durststrecke ist vorbei, so ein bisschen zumindest. Zwanzig Partien von elf Spielen, das toppt immerhin die schwache April-Bilanz. Nur eine Neuheit dabei – geschenkt. Ich hätte auch fast noch Die verlorenen Ruinen von Arnak gespielt, hätte nicht ein sehr überdrehtes Baby die Planung über den Haufen geworfen. Ich verbuche mir das in der Rubrik „war stets bemüht“. Schön war es, mal wieder Android: Netrunner zu spielen, wenn auch noch nicht mit den neuen Karten, sondern mit den alten „Küchentisch“-Decks.
Spiel des Monats: Funkoverse Strategy Game
Ja, mein Spiel des Monats ist tatsächlich Funkoverse, ein Spiel in dem Bollerkopffiguren aus verschiedensten Film-und-Fernseh-Franchises sich mittels Würfeln mächtig auf die Ömme hauen.
Meine erste Begegnung mit Funkoverse ist bereits ein gutes halbes Jahr her, damals ist das erste Harry-Potter-Set bei uns eingezogen, hat aber noch nicht so richtig gezündet. Im Mai habe ich beschlossen, dem Spiel eine zweite Chance zu geben. Und da, seien wir mal ehrlich, das Spiel davon lebt, dass Voldemort auf einem Hoverboard Wonder Woman im Besucherzentrum des Jurassic Park verprügelt, sind zumindest noch zwei weitere Sets bei uns eingezogen.
Für Tabletop-Verhältnisse ist Funkoverse fast ein freundliches Spiel: wir treten mit wild zusammengewürfelten Teams aus je drei Figuren, unterstützt durch einen Ausrüstungsgegenstand, gegeneinander an. Ziel ist dabei nicht das Auslöschen des gegnerischen Teams – das ist gar nicht möglich, denn selbst wenn Ron Weasley tragischerweise dem weißen Hai zum Opfer fällt, ist er in der nächsten Spielrunde sofort wieder an Bord. Vielmehr geht es darum, vor dem gegnerischen Team zehn Punkte zu sammeln und dadurch das Spiel zu gewinnen. Wie das geht, entscheidet das jeweilige Szenario: mal gilt es, Kontrollpunkte zu aktivieren, mal muss eine Flagg aus der gegnerischen Basis geklaut oder der gegnerische Anführer ausgeknockt werden.

Eine gegnerische Figur K.O. zu prügeln bringt zwar einen Punkt, ist aber oft gar nicht die effektivste Option. Oft reicht es, die gegnerischen Charaktere umzuwerfen, um sie Aktionen verlieren zu lassen, denn ein auf dem Boden liegender Charakter muss seinen Zug normalerweise mit Aufstehen verbringen und kann nichts tun, was seinem Team Siegpunkte einbringen würde. Dadurch gibt es manchmal Spiele, in denen nicht ein einziger Charakter K.O. geht. Ich hatte aber auch schon Spiele, in denen der Raptor mein komplettes Team weggefrühstückt hat, und das gleich zwei mal.
Funkoverse ist ein sehr seichtes Spiel, bei dem vieles am Ende durch Würfelglück entschieden wird. Aber es ist auch zugänglich, schnell und witzig, und zieht viel von seinem Charme aus dem Spielmaterial (also vor allem den knuffigen Funko-POP-Figuren). Der „Gotta catch’em all“-Effekt ist nicht zu leugnen, und obwohl gerade erst kürzlich Wonder Woman und Cheetah bei uns eingezogen sind, schaue ich bereits gierig auf die Previews zu den kommenden Marvel-Sets. Schauen wir doch mal, ob Funkoverse hier in Zukunft noch öfter auftauchen wird.
Neu für mich im Mai
Paleo
Alle Jahre wieder: es ist Juni, die Spiel-des-Jahres-Jury verkündet die Nominierten des aktuellen Jahrgangs, und ich stelle fest, dass ich mal wieder nur einen Bruchteil davon gespielt habe. Zeit aufzuholen also, und der erste Stopp bei den Nominierten für den grauen Kennerspiel-Pöppel war für mich Paleo.
Paleo ist ein kooperatives Spiel, bei dem wir unseren Steinzeit-Stamm lange genug am Leben erhalten wollen, bis er der Nachwelt seinen Stempel in Form einer coolen Mammut-Höhlenmalerei aufdrücken konnte. Das Spiel ist modular aufgebaut. Wie wir eine Partie Paleo gewinnen oder verlieren wird durch die zwei bis drei im Spiel befindlichen Karten-Module bestimmt: wenn unsere Stammesmitglieder sterben oder hungern müssen, ist das unabhängig vom Aufbau immer schlecht, dazu gibt es weitere Aufgaben, die es zu lösen gilt, um am Ende eines Tages (ein Spieldurchgang) keinen der gefürchteten Schädel zu sammeln. Diese Aufgaben sind uns am Anfang einer Partie bekannt – es könnte z. B. sein, dass wir jede Nacht einen sicheren Unterschlupf in Form eines Zeltes vorweisen können müssen. Unbekannt ist dagegen zunächst, wie wir die Höhlenmalerei voranbringen und somit das Spiel gewinnen. Paleo kreist um das Entdecken, um das gemeinschaftliche Erkunden einer oftmals feindlichen Umwelt.
Dieser kartengesteuerte Entdeckungsmechanismus ist ziemlich clever gelöst: vor jedem „Tag“ wird das komplette Kartendeck in eigene Nachziehstapel für alle Mitspieler*innen aufgeteilt. Wir spielen diese Decks durch, indem wir in jeder Runde die Rückseiten der obersten drei Karten unseres Decks anschauen und uns mit den Mitspieler*innen darauf einigen, wer wo auf Erkundungstour gehen will, und welche Karten vorerst zurück auf den Stapel wandern sollen. Die Kartenrücken geben meist grobe, manchmal aber auch konkretere Hinweise darauf, was an einem Ort zu finden ist – Flüsse locken z.B. oft Tiere an, die für Nahrung gejagt werden können. In einem zweiten Schritt werden dann die Karten aufgedeckt, wir sehen, was uns an welchem Ort erwarten würde, und können – sofern unsere Karten das erlauben – uns auch entscheiden, anderen Spieler*innen bei der Abhandlung ihrer Karten zu helfen, statt die Aktion der eigenen Karte auszuführen.
Dadurch wird bei Paleo eigentlich fast ununterbrochen diskutiert. Ich möchte gerne eine Gefahrenkarte erkunden, um sie hoffentlich ohne Schaden zu nehmen loszuwerden. Wie schaffen wir es, dass mir jemand helfen kann? Und Holz bräuchten wir auch noch, kann jemand in den Wald gehen? Gefühlt ist immer was los, und jeder ist ständig darin involviert, das Überleben unseres kleinen Stammes irgendwie zu sichern.

Paleo bietet einige clevere Spielmechaniken, wie die bereits angeschnittenen Kartenauswahl, oder die verschiedenen Nahrungskarten, die sich im Spielverlauf zunehmend verbrauchen, und somit als Timer für das Spiel dienen. Was mir aber am besten gefallen hat, ist, dass eine Partie Paleo eine Geschichte erzählt, und das ohne auf den Karten großartig Text vorhanden wäre – allein durch die Karten, auf die man im Deck stößt, oder Geheimniskarten, die durch bestimmte Karten im Deck ausgelöst werden können (was mich vom Effekt her ein wenig an Robinson Crusoe erinnert hat).
Nach den ersten zwei Szenarien würde ich sagen: da ich Die verlorenen Ruinen von Arnak und Fantastische Reiche noch nicht gespielt hat, kann ich keine Vergleiche anstellen, aber für sich genommen wäre Paleo kein schlechter Kennerspiel-Preisträger.